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Westdeutsche Zeitung 26.Januar 2010

Im Schlaf zur Diagnose


von Julia Nahamowitz


Eine WZ-Mitarbeiterin verbrachte eine Nacht im Schlaflabor – mit allem drum und dran.
 


 
WZ-Mitarbeiterin Julia Nahamowitz ließ sich verkabeln. Eine Nacht im Schlaflabor ist nicht gerade erholsam, in vielen Fällen aber ein medizinisch notwendiger erster Schritt zur Therapie. (Foto: Dirk Jochmann)

Krefeld. Neun dünne Kabel sind mit Elektroden an den Kopf angeschlossen, an die Schläfen, das Kinn, den Hinterkopf und hinter den Ohren, jeweils zwei Kabel an die Beine, zwei an die Brust und zwei an die Rippen. Ein dickes Kabel hängt an einem Sensor, der den Zeigefinger einklemmt. In einem Gerät von der Größe einer Autobatterie knubbeln sich die Anschlüsse. Wahlweise ziert eine Atemmaske oder ein dünner Schlauch mit Ausbuchtungen für die Nasenlöcher das Gesicht. Zahlreiche Pflaster halten Elektroden und Kabel da, wo sie hingehören. Gesichtszüge sind passé. Ein kleines Mikrofon klebt am Kehlkopf. Ein Gurt liegt um den Bauch und ein weiterer samt einem kleinen, eckigen Lagesensor um die Brust.
So sehen hier die Übernachtungsgäste aus.

Eine Diagnose stellen die Ärzte anhand von Messungen über Nacht

Für die Mitarbeiter des Schlaflabors der Maria Hilf GmbH an der Oberdießemer Straße ist das ein ganz normales Bild. Täglich trudeln bis 20.30 Uhr die Patienten ein, um ihre Nacht hier zu verbringen. Trotz offensichtlicher Bemühungen, dem Patienten zu signalisieren: Du kannst dich hier wohl fühlen, bleibt nicht zu leugnen, dass man sich in einem Krankenhaus befindet.

In den Zimmern stehen ein Bett, ein Nachttisch, ein Kleiderschrank und ein Fernsehgerät. Direkt daneben ist eine Kamera installiert. „Sie können es sich gemütlich machen und das tun, was Sie sonst zu Hause tun“, sagt Bettina van den Berg.

Nach und nach verkabelt die Krankenschwester die Patienten. Völlig verdrahtet und in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist eines klar: Was den Patienten hier erwartet, ist weit entfernt von einer geruhsamen Nacht, sondern medizinisch notwendig.
„Die meisten Patienten, die ins Schlaflabor kommen, leiden unter einer Schlafapnoe“, erklärt
Dr. Peter Bonzel, einer der betreuenden Ärzte. Dabei kommt es zu Atemstillständen einhergehend mit Schnarchen und Tagesmüdigkeit. Der Körper kann sich nachts nicht richtig erholen,  „denn Atemstillstand bedeutet Stress, der Blutdruck steigt und auf lange Sicht das Risiko für einen Herzinfarkt“, sagt Bonzel.

Patienten

Überwiegend suchen männliche Patienten mittleren Alters mit Übergewicht das Schlaflabor auf“, sagt Dr. Peter Bonzel, Pneumologe und Schlafmediziner (Gemeinschaftpraxis Hermanns Römer), der unter anderem das Labor betreut. Die meisten der Patienten leiden an einer Schlafapnoe, Atemstillstände während des Schlafs.

Untersuchung

Zunächst werden die Probleme in einem persönlichen Gespräch erörtert. In der Regel bekommen Patienten, bei denen man eine Schlafapnoe vermutet, für eine Nacht eine Atemmaske mit Messgerät zur ersten Diagnose mit nach Hause. Während der Nacht im Schlaflabor werden die Gehirnströme (EEG) gemessen, ein EKG (elektrische Aktivitäten der Herzmuskelfasern) erstellt, die Augenbewegungen registriert, der Atemfluss, Atembewegung der Brust und des Bauches, der Sauerstoffgehalt im Blut, die Körperposition, Beinbewegung und Schnarchgeräusche.

Diagnose und Therapie

In der Regel verbringen die Patienten zwei Nächte im Schlaflabor, um das Ergebnis der Untersuchung zu festigen. Starke Störungen können auch bei lediglich drei Stunden Schlaf diagnostiziert werden. „Für viele Patienten mit einer Schlafapnoe ist ein Atemgerät die Lösung“, so Bonzel. „Patienten mit starker Beinbewegung können oft medikamentös behandelt werden.“

Gesunder Schlaf

„Während wir schlafen, regelt das vegetative (automatische) Nervensystem unsere Temperatur und den Blutdruck herunter. Die Atemfrequenz sinkt“, erklärt Bonzel. Unser Körper entspannt. Das macht gesunden Schlaf so wichtig. In den Tiefschlafphasen erholt sich der Körper am besten, in den Traumphasen verarbeiten wir das Geschehen vom Tag.

Labore in Krefeld

Interdisziplinäres Zentrum für Schlaf- und Beatmungsmedizin (Maria Hilf GmbH und Praxis Hermanns Römer), Klinik Königshof und Helios Klinikum


Wenn die nette Nachtschwester den Raum verlassen hat, ist der angebundene Patient alleine. Fast. Zwei rote Lichter leisten ihm Gesellschaft: Der Drücker für Notfälle und die Infrarotkamera. Aus den Lautsprechern ertönt unvermittelt die Stimme der Nachtschwester. Sie überprüft die Geräte und gibt diverse Anweisungen: „Bitte rollen Sie mit den Augen. Jetzt einmal die Luft anhalten. Und bitte entspannen.“ Entspannen? Der Gedanke an Schlaf wirkt fast ironisch.

Es ist nicht einmal die Verkabelung, die das Einschlafen schwer macht, es ist viel mehr der Gedanke daran, für eine Diagnose schlafen zu müssen. Die Nacht ist unruhig und um fünf Uhr morgens vorbei. Pock, pock. Das ist kein Traum, das ist der Pfleger, der die Kabel abnimmt. Das Ablösen der Pflaster von der Haut – nicht das, was man sich zu nachtschlafender Zeit wünscht. Jetzt noch einmal umdrehen und ein paar Stunden in Freiheit weiter schlafen... „Übrigens, um sieben Uhr gibt es Frühstück.“




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